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Interview mit Timm Kehler, Vorstand Zukunft Gas (Deutschland)

1.  Wofür steht „Zukunft Gas“ für Sie in Deutschland? Welche Zukunft hat Gas

Gas ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Energiesystems und wird es auch in Zukunft bleiben. In Zukunft muss unsere Energieversorgung klimaneutral sein – gleichzeitig brauchen wir auch ein resilientes System, wie uns insbesondere die vergangenen zwei Jahre gezeigt haben. Die Lösung ist ein Energiesystem, das auf zwei Säulen beruht: grünem Strom und grünen Molekülen. Das heißt auch, dass sich die Gaswirtschaft wandeln wird. Die Nutzung von fossilem, nicht dekarbonisiertem Erdgas wird bis 2045 bedeutungslos werden. Wir werden stattdessen neue Gase nutzen, wie Wasserstoff und seine Derivate sowie Biomethan.

2. Deutschland musste relativ abrupt unabhängig werden von russischem Gas. Was waren die wesentlichen Elemente, um die entstehende Versorgungslücke zu schließen?
Die Gasversorgung konnte nach dem Wegfall der russischen Gaslieferungen vor allem aus drei Gründen gesichert werden: Erstens LNG-Lieferungen aus anderen Gas-Importländern über den schnellen Aufbau einer entsprechenden Importinfrastruktur. Zweitens die Ertüchtigung der Leitungen, die bislang vor allem Gas von Ost nach West transportierten für den Transport in die entgegengesetzte Richtung. Und drittens die Reduzierung des Energieverbrauchs durch die Bevölkerung und die Industrie.

3. Das neue Heiz-Gesetz sieht ab 2024 ein Verbot für den Einbau reiner Öl- oder Gasheizungen im Neubau vor. Welche Chancen und Risiken sehen Sie dabei?
Ganz so einfach ist es nicht. Tatsächlich sieht das neue Heizungsgesetz, bzw. die Novelle des Gebäude-Energie-Gesetzes vor, dass auch nach dem 1. Dezember noch neue Gasheizungen eingebaut werden dürfen. Allerdings müssen sie künftig mit neuen Gasen betrieben werden bzw. mit einem Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energie. Wenn in einer Region noch keine kommunale Wärmeplanung vorliegt, können Gasheizungen zunächst weiter eingebaut werden. Sobald die Wärmeplanung vorliegt, müssen dann steigende Anteile neuer Gase eingesetzt werden. Zum Beispiel Biomethan, grüner oder blauer Wasserstoff zu 15 Prozent im Jahr 2029, 30 Prozent im Jahr 2035 und 60 Prozent im Jahr 2040. Eine weitere Option ist die Gas-Hybridheizung, sie ist auch weiterhin zulässig. Also die Kombination aus einer Heizung, die mit erneuerbarer Energie betrieben wird und einem Gas-Brennwertkessel. Dadurch ist die Hybridheizung ein flexibles Heizsystem, das mit einer intelligenten Steuerung ausgestattet ist und das Zusammenspiel der Energiequellen optimiert. Die kommunale Wärmeplanung ist ein wichtiges Instrument für das Gelingen der Wärmewende: Kommunen können so planen, welche Heizlösungen für ihre Region am sinnvollsten sind: Wasserstoff und neue Gase, Fernwärme oder strombasierte Heiztechnologien.

4. Stichwort Klimaneutralität: Wieviel grünes Gas (Biomethan und Wasserstoff) gibt es in Deutschland und woher soll der Rest kommen?
Die Analyse von zentralen Klimaneutralitätsstudien zeigt, dass ausreichende Mengen an neuen Gasen zur Verfügung stehen werden. Dabei wird sowohl auf Potenziale von überwiegend heimisch produziertem Biogas geblickt als auch auf überwiegend importierten grünen Wasserstoff, blauen Wasserstoff und türkisen Wasserstoff. Auch bei Biogas besteht die Möglichkeit, diesen aus Ländern mit hohen Produktionskapazitäten zu importieren, z.B. aus der Ukraine. Vorteil ist hier, dass bereits die Gasinfrastruktur vorhanden ist, die für den Import des Biomethans genutzt werden könnte. Deutschland wird also auch in Zukunft Energie importieren müssen, so wie es das heute schon tut.

5. Deutschland hat vor kurzem das H2-Kernnetz vorgestellt. Wie wurden die Finanzierung und der regulatorische Rahmen dafür gesichert?
Für die Finanzierung des H2-Kernnetzes hat die Bundesregierung ein durchdachtes Konzept entwickelt: Es fördert private Investitionen und ermöglicht die vollständige Finanzierung über Netzentgelte.  In den ersten Jahren werden die Netzentgelte gedeckelt. Zusätzlich wird ein Amortisationskonto eingeführt. So wird eine gerechte Verteilung der Kosten über die Zeit gewährleistet. Eine staatliche Absicherung bis 2055 greift nur im Falle unvorhersehbarer Entwicklungen, wobei die Betreiber sich mit einem Selbstbehalt von bis zu 24 Prozent am Ausgleich beteiligen.

6. Wie und wo sehen Sie die Ankoppelung Österreichs an das H2-Kernnetz?
Der Bedarf an grünem Wasserstoff ist in Deutschland sehr hoch. Allein die Industrie benötigt große Mengen an klimaneutralem Wasserstoff, um bis 2045 klimaneutral zu werden. Diese Mengen werden wir nicht regional produzieren können. Stattdessen werden wir auch in Zukunft auf Energieimporte angewiesen sein, unter anderem aus sonnenreichen Regionen, wie z.B. Nordafrika. Österreich ist daher für Deutschland ein wichtiges Transitland für Wasserstoff-Importe. Dazu kommen die österreichischen Gasspeicher, die in Zukunft Wasserstoff speichern werden. Sie sind von zentraler Bedeutung für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Die Ankopplung Österreichs an das Wasserstoff-Kernnetz hat daher hohe Priorität.
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